Minimalistisches Einfamilienhaus mit Rückzugsmöglichkeit

„Ich liebe dieses Haus!“

OOW-Gründer Sebastian Blancke hat das Haus seiner Großeltern um einen minimalistischen Neubau erweitert, um es zu einem Ort für die nächste Generation zu machen. Bauherrin ist seine Cousine Wibke Tiedmann. Ein Gespräch darüber, wie man klassische Häuser und moderne Bauweise verbindet, wie sich Orte fürs Miteinander und Rückzug schaffen lassen und weshalb das Leben in schöner Architektur so zufrieden macht.

„Durch die Unterteilung können wir ein Zusammenspiel aus Offenheit und Privatsphäre leben. Das funktioniert im Alltag unglaublich gut.“
Wibke Tiedmann, Bauherrin

Eure Großeltern haben einst das Haus gebaut, dem ihr durch einen Neubau nebenan ein ganz neues Gesicht gegeben habt. Was ist das für ein Ort für euch? 

Wibke Tiedmann: Das Haus war immer schon ein offener Ort, wo Menschen gerne zusammenkommen – neulich erst haben schwedische Pfadfinder bei uns im Garten gezeltet. Dazu passt, dass unsere Eltern, aber auch schon die Großeltern, immer gern Feste gefeiert haben. Mit meinen Eltern ging es fast nie in Restaurants, wir haben immer zuhause gefeiert. Das macht diesen Ort aus. Und dann erinnere mich an den Klavierunterricht am Freitagnachmittag, der das Wochenende einläutete, spielende Kinder und natürlich Basti, der Toilettenbürsten jonglieren konnte und sogar Feuer spuckte – das fanden wir Cousinen natürlich megacool. (lacht) 

Sebastian Blancke: Ja, es ist ein wunderbar offener Ort. Der Zusammenhalt mit den Nachbarn ist über Jahrzehnte gewachsen. Das ist fast eine dörfliche Mikrostruktur, was den sozialen Zusammenhalt angeht. Ich fand das immer wahnsinnig positiv und toll, wie dieses offene Haus gelebt wurde. Es waren immer Freunde, Nachbarn, Verwandte und Kinder da.

Wibke: Das Viertel ist in Stuttgart sehr privilegiert, meine Grundschule war dennoch komplett durchmischt. Außerdem hatte mein Papa fünf Geschwister, in meiner Kindheit waren immer Kinder bei uns im Garten. Zudem hatten wir einen Pool im Garten, das war ein Magnet für die Nachbarskinder. 

„Die richtigen Räume an der richtigen Stelle: Die Anordnung entscheidet, wie ich den Alltag lebe und das Haus benutzen kann. Das ist extrem gut gelungen.“
Sebastian Blancke, OOW-Gründer

Wie kann eine Architektur diesen offenen Charakter erhalten?

Sebastian: Das Bestandsgebäude steht sehr zentral auf Grundstück und gliedert das Grundstück in einen Bereich vorn zur Straße und einen privaten Bereich nach hinten. Gefühlt ist der vordere Garten öffentliches Straßenland. Jeder Nachbar darf reinkommen, ohne zu klingeln. 

Wibke: Durch die Unterteilung können wir auch heute, nachdem wir ein zweites Haus gebaut haben, dieses Zusammenspiel aus Offenheit und Privatsphäre leben. Meine Familie und ich können uns auf unsere Terrassen zurückziehen. Mein Bruder, der heute nebenan wohnt, in seinen hinteren Garten. Diese Unterteilung funktioniert richtig gut. 

Wie sieht es im Haus aus?

Sebastian: Was beim Garten die Vorder- und Rückseite ist, findet im Haus sein Pendant mit den Stockwerken. Die Zonierung im Garten von privat und öffentlich geht im Haus in die Vertikale. Die Gemeinschafts- und Privatsphäre ist klar getrennt: Im Erdgeschoss kommen Familie und Freunde zusammen, ein Stockwerk höher liegen alle vier Schlafzimmer. Wer die Treppe hoch geht, findet sehr schöne Rückzugsmöglichkeiten. Generell gilt: Je höher man kommt, desto privater wird es. Übrigens hat das Haus eine recht kleine Grundfläche. Wir haben es dennoch geschafft, vier Geschosse zu bauen, weil wir mit den Proportionen gespielt haben und zum Beispiel die Kinderzimmer klein, aber ausreichend groß geplant haben. So konnten wir die Zonen schaffen …

Wibke: … die uns heute so gefallen. Ich liebe dieses Haus! Was sich Basti in der Theorie überlegt hat, genießen wir im Alltag. So hat er im großen Wohn- und Essbereich eine „Spielzone” geplant, in der wir auch heute noch die Kugelbahn aufbauen, wenn Besuch kommt. Und: Wir sprachen ja schon darüber, dass unsere Familie gern Feste feiert: Im Wohn- und Essbereich können wir eine große Tafel aufstellen. Und dazu kommen die Details, an denen wir unsere Freude haben – wie die bündige Tür aus Italien, die so aufgeht, dass niemand beim Sitzen an der Tafel einen Türgriff im Rücken hat. 

Was macht für euch die Qualität des Hauses aus?

Sebastian: Die zeigt sich daran, dass die richtigen Räume an der richtigen Stelle sind! Denn ist das nicht so, lässt es sich später auch mit einer tollen Ausstattung nicht mehr retten. Die richtige Anordnung entscheidet, wie ich den Alltag lebe und das Haus benutzen kann. Das ist total gut gelungen.  

Wibke: Genau, und das zeigt sich auch an einem meiner Lieblingsorte, dem Küchen- und Essbereich: Die Küchenzeile verschwindet optisch fast, denn wir wollten die Qualität des großen Raumes nicht durch einen Küchenblock zerstören. Die Spül- und Essküche sind jetzt durch eine Schiebetür abtrennbar. Die ist übrigens, auch das eines der vielen schönen Details, gleichzeitig eine Kreidetafel, wo wir uns als Familie Wichtiges aufschreiben. 

Sebastian: Im Wohn- und Essbereich gehen Außen und Innen fast nahtlos ineinander über, auch durch den Einsatz von viel Glas. Ich sitze im Esszimmer, bin aber gefühlt auch im Garten und dort mitten im Leben. Der Küchenbereich vereint das Beste aus zwei Welten, weil ich die Küche nach dem Essen nicht direkt aufräumen muss, sondern durch das Schließen der Schiebetür das dreckige Geschirr zum Problem meines zukünftigen Ichs machen kann. (lacht)  

Ihr scheint viele Lieblingsplätze im Haus zu haben … 

Wibke: Ja, es gibt so viele! Basti bekommt immer wieder Fotos von meinen neuen und alten Lieblingsplätzen! 

Sebastian: Prädikat beste Bauherrin! (lacht)

Wibke: Dank der drei Terrassen können wir immer dem Sonnenstand folgen, das ist eine unglaublich hohe Lebensqualität. So haben wir im Sommer immer ein Plätzchen, um zum Beispiel im Schatten zu frühstücken. Ein weiterer Lieblingsplatz und Rückzugsort ist die Einliegerwohnung, die ich als Büro nutze. Ich sitze zwar „im Keller”, kann aber dank der Hanglage auf ein Haus mit Türmchen blicken, das an ein kleines Schloss erinnert. Dank der guten Planung ist hier ein qualitativ hochwertiger Raum entstanden, bei dem wir gemeinsam letzte Details perfektioniert haben. Es gibt so viele Punkte, die mir jeden Tag Spaß bringen: Die Fußleisten, auf denen kein Staub liegen kann. Der Holzfußboden, der sich durch alle Stockwerke zieht. Das Gefühl, die Treppe hochzugehen und auf der Dachterrasse auf einen ehemaligen Weinberg, den Waldrand und den Stuttgarter Fernsehturm zu gucken. Mitten in der Stadt – einfach großartig! Im Haus meiner Eltern nebenan gibt es nur eine kleine Gaube, diesen Blick hat man dort nicht. So etwas freizulegen und genießen zu können: Das macht für mich die Qualität dieses Hauses aus.

Sebastian: Mir war zuvor auch nicht klar, welch fantastischen Blick man hat. Das ist die Kunst von guter Architektur: aus dem Vorhandenen das Meiste schöpfen.

Wibke: Unser kleines Ritual auf dieser Terrasse ist die Kaffeepause am Vormittag: Espresso mit Blick auf den Fernsehturm, das Stuttgarter Wahrzeichen. Und an lauen Abenden ist sie der Hit für die Kinder: Sie lieben es, dort mit Blick auf den Sternenhimmel zu übernachten.

So mancher steht vor der Herausforderung, neben einem alten Bestandsgebäude etwas Neues, Modernes entstehen zu lassen. Wie kann so etwas gelingen?

Wibke: Auch wenn beide Bauten einen sehr unterschiedlichen Charakter haben, haben wir uns viel Mühe gegeben, das Alte und Neue zu verbinden. Ein Beispiel: Das alte Haus wurde aus dem Kalkstein Münster Travertin gebaut. Als mein Vater sah, wie das neue Haus ihn in Teilen verdecken würde, seufzte er: Schon schade! Da kam uns eine Idee …

Sebastian: Im Badezimmer gibt es jetzt eine sogenannte Sichtwand: Hier ist die Wand freigelegt und man blickt auf den alten Stein. 

Wibke: Der übrigens mit seiner gelb-beigen Farbe eine wunderbare Wärme ausstrahlt. Und jeden Morgen im Bad erlebe ich die Verbindung zum alten Haus. 

Es handelt sich um ein Familienerbe. Mit welchen Gedanken nähert man sich solch einem Vorhaben? 

Wibke: Das neue Haus steht dort, wo früher das Auto parkte und die Wäsche trocknete. Das hat es emotional leichter gemacht. (lacht)

Sebastian: Ich bin schon ehrfürchtig an die Planung herangegangen, wohl wissend: Hier werde ich von der ganzen Familie beäugt. Wibke und ihr Mann waren die Bauherren, aber die eigentliche Bauherrenschaft war viel größer: Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen! Wir haben absurd viele Gespräche geführt und jedem war bewusst: Wir bauen hier nicht auf der grünen Wiese. Ich wollte mich dem alten Haus angemessen nähern, es ging mir immer um die richtige Proportion zwischen Neubau und Altbestand. Wir wollten nichts kopieren, modern sein, aber respektvoll mit dem Bestand umgehen. 

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„Was sich Basti in der Theorie überlegt hat, genießen wir jeden Tag.“
Wibke Tiedmann, Bauherrin

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