oow-Gründer Sebastian Blancke und Mathis Malchow im Interview

„Design ist wie eine Komposition“

Was prägt sie, was treibt sie an, wie denken sie über Architektur? Im Interview erzählen oow-Gründer Sebastian Blancke und Mathis Malchow von Zeichen-Arien in London, dem ersten eigenen Büro in Prenzlauer Berg und warum eine Pferdeklinik zum Erweckungserlebnis wurde.

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„Wir haben
schnell gemerkt, dass
wir beide
Perfektionisten sind.“

Menschen, die zusammen ein Unternehmen gründen, werden durch ganz unterschiedliche Dinge zusammengeführt. Bei euch waren es 660 Zeichnungen im Din-A0-Format. Das müsst ihr erklären!

Mathis Malchow (lacht): „Stimmt, das war im Jahr 2005. Zu der Zeit haben Sebastian und ich für Norman Foster in London gearbeitet und eine Konzerthalle in St. Petersburg entworfen. Ein Riesenprojekt mit unvorstellbaren Ausmaßen! Und dafür haben wir mit unserem Team eben die legendären 660 Zeichnungen angefertigt.“

Grundgütiger, das schweißt zusammen!

Sebastian Blancke: „Und wie! Und vor allem merkt man in solch fordernden Projektphasen, ob man gut miteinander arbeiten kann. Bei uns war es eine Punktlandung: Wir beide waren um ein Uhr nachts die letzten im Büro, sind danach noch zusammen feiern gegangen und saßen morgens wieder um sieben im Büro. Es war eine extreme Zeit, aber wir haben uns gesucht und gefunden!“

Mathis: „Wir waren wie zwei Pferde vor einem Wagen, wir liefen komplett im gleichen Takt auf ein gemeinsames Ziel zu. Normalerweise hast du ja von deinen Arbeitskollegen irgendwann die Schnauze voll, aber wenn du nach einem Zwölf-Stunden-Tag immer noch nicht genug von dem Typen dir gegenüber hast, erkennst du die Qualität, die in dieser Beziehung steckt.“

Was waren eure Gemeinsamkeiten?

Sebastian: „Wir haben schnell gemerkt, dass wir beide Perfektionisten sind und diesen Hunger hatten. Obwohl wir bei der Konzerthalle in St. Petersburg zum ersten Mal zusammenarbeiteten, wurden wir von den anderen sofort als Einheit wahrgenommen: 'the crazy germans'!“ (lacht)

Und worin unterscheidet ihr euch?

Mathis: „Wir denken beide sehr kreativ und stehen für detaillierte Designs. Aber natürlich unterscheiden wir uns. Zum Beispiel kann Sebastian dieses ganze Technische, alles am Computer. Ich weiß noch, dass wir mal an einer Stelle nicht weiterkamen. Da hat er eben schnell selbst ein Skript geschrieben.“

Sebastian: „Und Mathis ist der Beste, wenn es um Konzepte geht und darum, den roten Faden, die Essenz eines Projekts herauszuarbeiten. Es ist die perfekte Ergänzung!“

OOW Office

Das OOW-Büro in Berlin war einmal ein Lesesaal in einem Plattenbau. Die Schränke sind noch Originale!

2009 habt ihr euch dann in Berlin selbständig gemacht.

Sebastian: „Ich habe mich nie als Angestellter gesehen. Für mich war klar, dass ich irgendwann mein eigenes Büro gründe.“

Mathis: „Für mich auch! Es ging im wahrsten Sinne des Wortes auch darum, ‚sich einen Namen zu machen’“.

Zum Start habt ihr euch ein kleines Ladenbüro in Prenzlauer Berg gemietet und zwei Ikea-Tische gekauft.

Sebastian: „Lustigerweise kann ich mich noch genau erinnern, wie wir von Ikea wiederkamen. Da standen wir im komplett leeren Büro und haben erst einmal eine Flasche Sekt aufgemacht. Wir hatten Schreibtische! Der Laden brummte also schon! (lacht) Ganz im Ernst: Irgendwie wusste ich, dass wir den Grundstein gelegt hatten. Für irgendwas Großartiges. Und mit dem Typen (zeigt auf Mathis) kann es nur klappen!

Die Sperrholzplatten waren kaum zusammengebaut, da ging es wahnsinnig schnell. Die ersten Aufträge kamen, Praktikanten wurden zu festen Mitarbeitern. 2014 hattet ihr schon sechs Angestellte und habt für die Bundestagsverwaltung 8000 Quadratmeter 'Unter den Linden' ausgebaut.

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Unser erstes Büro im Prenzlauer Berg

Mathis: „Wir müssen uns manchmal selbst kneifen, dass alles so super nach Plan läuft. Aber ich glaube, die Leute merken, wenn man für etwas wirklich brennt. Und wir haben ein unfassbar gutes Team, ich würde mal behaupten, das beste Team der Welt!“

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"Wir haben ein unfassbar gutes Team."

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„Wir stehen für maßgeschneiderte Lösungen“

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Wie würdet ihr eure architektonische Handschrift beschreiben?

Sebastian: „Wir haben keine.“

Wie bitte?

Mathis: „Das klingt jetzt wahrscheinlich furchtbar abgenudelt, aber wir stehen einfach für maßgeschneiderte Lösungen. Wir sind total offen: für verschiedene Materialien, für Formen, einfach für alles. Ganz wichtig ist für uns: Wir gehen komplett darauf ein, wie das Gebäude später genutzt werden soll. Wünschen die Bewohner sich also eher eine schicke Betonstruktur oder lieber warme Materialien? Dahin geht die Reise! Deswegen ist es gar nicht ein bestimmter Stil, der uns ausmacht, sondern vielmehr eine Herangehensweise: Aus jedem Raum wollen wir das herauskitzeln, was ihn besonders macht.“

Sebastian: „Vielleicht lässt es sich am besten als hedonistische Architektur beschreiben: aus dem Vollen schöpfend, ohne Beschränkungen und Bescheidenheit. Wir haben Lust auf Raum! "

Erklärt bitte eure Arbeitsweise, die ist ja sehr besonders.

Mathis: „Anders als die meisten Architekten visualisieren wir sofort. Das heißt, dass wir alle Räume mithilfe eines Computerprogramms dreidimensional darstellen. Daraus machen wir dann so genannte fotorealistische Bilder, so dass man genau sehen kann, wie das Ergebnis am Ende aussehen wird.“

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Vom 3D-Modell zur Visualisierung

„Wir haben Lust auf Raum!“

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Visualisierung und gebautes Projekt am Beispiel Augustinum Kassel

Wie detailreich sind denn diese Bilder? Was genau sieht man darauf?

Sebastian: „Einfach alles! Bis zur Sockelleiste zeigen wir den Raum exakt so wie er später aussehen wird.“

Welche Vorteile hat diese Vorgehensweise? Und wie machen das andere Architekten?

Mathis: „Viele Architekten arbeiten natürlich auch mit Visualisierungen – aber meistens eben nicht gleich zu Beginn. Oft ist es so, dass sie zunächst so genannte Moodboards erstellen, auf denen zum Beispiel das Farb- oder Materialkonzept angerissen wird. Zusammen mit dem Grundriss soll sich der Kunde dann ein Bild davon machen. Ganz ehrlich? Niemand hat ein so gutes Vorstellungsvermögen, nicht einmal Profis! Fertigt man aber – wie wir – sofort Fotos an, weiß der Kunde genau, was er bekommt. Und da unsere Fotos auch die spätere Lichtsituation und die verwendeten Materialien abbilden, spürt man den Raum auch direkt.“

Sebastian: „Ich finde dieses Vorhaben auch viel demokratischer, denn man kann mit dem Kunden auf Augenhöhe über den Entwurf diskutieren. Und am Ende profitieren beide: Wir bekommen schnell ein Gefühl davon, was ihm wichtig ist und können es umgehend umsetzen – und er bekommt exakt das gebaut, was er bestellt hat.“

Ihr bezeichnet eure Arbeit als „Gestaltungshandwerk“. Was meint ihr damit?

Mathis: „Dieser Begriff steht dafür, wie wir an unsere Arbeiten herangehen – und wie wir Architektur verstehen. Natürlich sind wir auf der einen Seite Gestalter, ja quasi Künstler. Wir entwickeln architektonische Visionen und Entwürfe. Gleichzeitig liegt unsere Aufgabe darin, das Handwerk perfekt umzusetzen und Großprojekte mit großer Verantwortung zu betreuen. Und da kommt dann der Schwabe in mir durch! (lacht)

Sebastian: „Unser Vorgehen läuft so ab: Mathis zeichnet Entwurf A, ich B und unser Mitarbeiter C. Und danach schauen wir uns alles an, diskutieren – und schleifen den Entwurf, der das beste aller zusammenbringt, immer und immer wieder. Bis alles perfekt ist. Im Englischen nennt man dieses Vorgehen 'honing'.“

Mathis: „Design ist wie eine Komposition. Schau dir an, wie ein holländischer Maler drei Früchte arrangiert. Bis ins letzte Detail sind die Proportionen und das Licht aufeinander abgestimmt. Genau das ist unser Ziel mit einem Raum.“

Architektur für Wohnen, Arbeiten, Leben in Berlin

Design als Komposition

Eine letzte Frage: Warum seid ihr eigentlich Architekten geworden?

Mathis: „Wie jeder gescheite Junge aus Süddeutschland habe ich als Kind Autos gezeichnet. (lacht) Bis ins kleinste Detail konnte ich zum Beispiel eine E-Klasse aufs Papier bringen. Das wurde mir aber irgendwann zu langweilig und ich habe Häuser gezeichnet. Und da in der Schule Mathe und Kunst meine Lieblingsfächer waren, stand nach dem Abitur sofort fest: Ich studiere Architektur!“

Sebastian: „Ich habe ab der 9. Klasse immer in den großen Sommerferien in einem Architekturbüro gejobbt. Total blöd, alle fahren in den Urlaub und ich baue Modelle. (lacht) Aber mir hat das so irre viel Spaß gemacht, dass ich gar nicht mehr zurück in die Schule wollte. Einmal durfte ich mit dem Architekten in eine Pferdeklinik in Baden-Baden fahren, die er gerade umgebaut hatte. Als wir den Raum, in dem die Pferde nach der OP aufwachen, besichtigt haben, war ich komplett geflasht. Das war so ein richtig schöner Kuschelraum, mit gepolsterten Wänden, damit die Pferde sich nicht verletzten. Ich dachte: Cool, was Architektur alles kann! Ich hab’ dann nicht einen Moment gezweifelt, ob dieser Beruf etwas sein könnte für mich!“

Mathis: „Oh Gott, wir sind uns schon wieder einig. Mir ging’s genauso!“ (lacht)

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